Im Zuge meiner Beschäftigung mit Weiblichkeit bin ich über eine spezielle Form des Yoga gestolpert, die die Bedürfnisse des weiblichen Körpers in den Vordergrund stellt. Der heutige Text ist ein Erfahrungsbericht über meinen Ausflug in eine Yoga Praxis, den ich mit Querverbindungen zu meinem Fachgebiet versehe. Dabei vertrete ich nicht die Ansichten dieser Lehre, sondern arbeite diejenigen Teilaspekte der Übungseinheit heraus, die in der Auseinandersetzung mit Weiblichkeit inspirieren können.
Diese Zusammenfassung meiner Gedankenblitze sind klarerweise gefärbt durch meine Psychologinnen-Brille und die Inhalte, die ich aus der Praxiseinheit widergebe, sind nicht immer hundertprozentig richtig im Sinne der Luna Yoga Lehre, sondern durch meine subjektive Wahrnehmung und Deutung an meinen Fachbereich angepasst.
Tun, solange es köstlich ist
Was mitunter den stärksten Eindruck hinterlassen hat, ist das Wort „köstlich“. Egal was im dieser Form des Yoga gerade gemacht wird – die Durchführung einer Übung oder das Pausieren – alles soll bewusst wahrgenommen und auf seine Köstlichkeit hin untersucht werden. Wie lange will ich die Übung in welchem Tempo und in welchem Ausmaß machen? Bin ich fertig mit der Übung oder hänge ich noch eine weitere Runde an? Und dann noch eine? Oder lasse ich es für heute ganz sein? „Lieber eine Übung bewusst und mit Genuss durchführen als einfach das Programm abspulen, um es gemacht zu haben.“ Üben, wenn wir Lust haben, worauf wir Lust haben und solange wir Lust haben – klingt das nicht herrlich? Und ist doch gar nicht so leicht. Weil wir es gewohnt sind, vieles vorgekaut zu bekommen. In der Arbeit und im Privaten. Es gibt kaum einen Lebensbereich, zu dem es kein Tutorial oder keinen Coach gibt. Mittlerweile sogar zum Thema Weiblichkeit ;-). Hinspüren-Können ist keine Selbstverständlichkeit mehr und viele von uns brauchen Übung darin, die eigenen körperlichen, psychischen und sozialen Bedürfnisse wieder zu spüren und einzuordnen.
Körperlichkeit als Alltagsbrücke
Yoga schult das Wahrnehmen des eigenen Körpers und unserer Bedürfnisse. Merksätze und Lektionen, die vermittelt werden, sind viel besser greifbar, wenn auch der Körper beteiligt ist. Ausgewogenheit und Ungleichgewicht, Dynamik und Statik, kleine Bewegungen und große Gesten, Tun und Lassen, Bewegung und Stillstand – all diese Begriffe können wir für die Beschreibung unseres privaten und beruflichen Alltags, unseres Denkens und unserer Beziehungen heranziehen, wie auch für die Durchführung körperlicher Übungen. Bei diesen tun wir uns oft viel leichter, diese Dinge zu identifizieren. Es kann deshalb sehr hilfreich sein, unsere Wahrnehmung dieser Zustände auf körperlicher Ebene zu schulen, um sie dann auch in anderen Bereichen besser greifen zu können.
Gleichwertigkeit von Tun und Nicht-Tun
Im der von mir beschriebenen Yoga-Variante wird viel Wert auf Gleichwertigkeit gelegt – nämlich der zwischen Übungen und dem Nachwirken, also der Zeit zwischen den einzelnen Übungen. Pausen sind genauso wichtig wie das Tun. Was nicht bedeutet, dass das Verhältnis von Pausen und Arbeit sowie von Ruhen und Tun immer ausgeglichen im Sinne eines bestimmten prozentuellen Verhältnisses sein muss. Manchmal brauchen wir mehr Nachwirken und weniger Tun, und an anderen Tagen wieder mehr Tun und weniger Nachwirken. Die Herausforderung ist es, das Denken aus und das Spüren einzuschalten und wieder zu lernen, auf den eigenen Körper zu hören.
Veränderung des Denkrahmens
Die meisten Geistesblitze haben wir, wenn wir das gewohnte Setting bzw. den für uns üblichen Denkrahmen verlassen. Wer mich kennt weiß: ich bin nicht gerade eine Meisterin des Nichts-Tuns. Vielen Frauen geht es hier ähnlich. Oftmals wollen wir zu viel auf einmal, oder wir glauben, Unmengen leisten zu müssen. Und damit sich alles ausgeht, werden zu allererst Pausen gestrichen. Dass das auf Dauer nicht gut geht, wissen wir meist oder spüren es sogar bereits. Und egal wie oft wir uns vornehmen, mal wieder etwas mehr auf uns zu schauen – schlussendlich schieben wir dieses Vorhaben immer auf einen Zeitpunkt, an dem „zumindest dies und jenes Projekt abgeschlossen oder ToDo auf der Liste abgehakt ist.“ Kommt Euch das bekannt vor?
Aussagen wie „Tun und Ruhe sind gleich wichtig“ sind in unseren Köpfen in dieser schnelllebigen Zeit zwar bekannt, scheinen aber oft wenig greifbar und noch weniger umsetzbar. Durch körperliches Ausprobieren und das Wahrnehmen in einem anderen Denkrahmen werden solche Lektionen auf einmal viel gehaltvoller – und eine Umsetzung bzw. Anwendung in unserem Standarddenkrahmen, also unserem Alltag, dadurch wahrscheinlicher.
Anpassungsfähigkeit
In gutem Kontakt mit sich selbst zu sein, die Bedürfnisse zu kennen und zu achten, nicht immer alles nach einem starren Muster zu machen, sondern sich anpassen zu können, bedeutet, handlungsfähig zu bleiben. Das ist insbesondere bei Frauen ganz wichtig, da sie unterschiedliche Rollen einnehmen, in denen ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt werden – von sich selbst und von anderen. Dafür brauchen wir nicht nur guten Kontakt zu uns selbst sondern auch eine stabil-flexible Basis. Ein Widerspruch? Ganz klar und doch auch nicht. Denn genau das bietet die eigene Weiblichkeit.
Zum Abschluss noch eine Aussage, die mir gut in Erinnerung geblieben ist:
„Es ist DEINE Zeit – verwende sie, wozu und wie DU möchtest.“
Alles Liebe,
Eure
Esther
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